„Ich wünsche Ihnen alles Gute!“ Wahrscheinlich hätten Sie diesen Satz eher am Schluss des Textes erwartet. Wohlmeinende Wünsche hören wir oft, am Ende eines Gespräches, am Schluss eines Briefes oder einer E-Mail. Wir werden förmlich umzingelt von guten Wünschen und Worten. Nicht immer können wir sie so gut hören; gerade wenn es mir nicht gut geht, wirken die Worte „Alles Gute“ wie Hammerschläge. Nein, es ist nicht immer alles gut. Die gut gemeinte Höflichkeit wirkt dann anstrengend, die Worte erreichen mich nicht.
„Ich wünsche, dass es dir in allen Stücken gut gehe und du gesund seist, so wie es deiner Seele gut geht.“ (3. Johannes 2)
Der Verfasser des 3. Johannesbriefes grüßt seinen Empfänger mit einem herzlichen Wunsch, der uns als Monatsspruch durch den Mai begleiten wird. Der Beginn eines Briefes als Feuerwerk der guten Wünsche: in allen Stücken, Gesundheit, Seele - mehr geht nicht.
Dieser Wunsch birgt eine tiefe Wahrheit in sich: Wohlergehen können wir immer nur ganzheitlich denken: Das Wohl an Leib und Seele gehört unbedingt zusammen. Bei vielen Geburtstagsbesuchen in der Gemeinde höre ich von den Geburtstagskindern, dass Gesundheit das wichtigste Gut für sie ist. Und sie haben recht. Aber Gesundheit können wir nur prophylaktisch unterstützen, aber wir haben sie nicht in der Hand. Manchmal müssen wir auch mit Krankheit, Einschränkung und Schmerz umgehen, und das ist nicht leicht.
In unserer Gesellschaft wird Krankheit oft an den Rand gedrängt, sie scheint das Bild der Selbstoptimierung zu stören: Sport, Wellness, Diäten und super food bestimmen Werbung und Presse; sie prägen das Menschenbild in unserer Gesellschaft. Gesundheit dient vor allem dazu, leistungsfähig zu bleiben, damit wir alle Anforderungen erfüllen können, die Familie, Arbeit, Schule, Ehrenamt an uns stellen.
Aber Gesundheit bedeutet mehr als nur ein gesunder Körper. Daher wünscht Johannes seinem Briefpartner, dass es ihm in ALLEN Stücken gut gehe – an Leib und Seele.
Was nützt es uns, wenn unser Leib fit und gesund, die Seele aber krank ist. In Deutschland haben Depressionserkrankungen gerade jetzt in der Corona-Pandemie einen Höchststand erreicht. Die Seele, unser Innerstes, ist verletzlich – sie ist der Seismograph unseres Lebens. Und letzten Endes wissen wir doch sehr genau, dass eine kranke Seele sich auch auf den Körper auswirkt.
„Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft. Denn er ist mein Fels, meine Hilfe, mein Schutz, dass ich gewiss nicht wanken werde.“ (Ps 62,2-3)
Der Beter des 62. Psalms erkennt Gott als denjenigen, der seiner Seele Schutz gibt. In allen Unwägbarkeiten des Lebens, in Angst und Freude, in Bangen und Hoffen: Gott ist der Fels, der auf meine Seele aufpasst und sie schützt, egal was passiert. Aus diesem Zuspruch heraus können wir leben. Denn wie wir eben formuliert haben: Wir können Gesundheit nicht selbst „machen“.
„Ich wünsche, dass es dir in allen Stücken gut gehe und du gesund seist, so wie es deiner Seele gut geht.“ (3. Johannes 2)
Dieser Wunsch im 3. Johannesbrief kann uns dazu anleiten, achtsam mit dem Gegenüber zu sein. Meinen Nächsten mit einem wirklichen Interesse zu begegnen und wahrzunehmen, was ist. Genau hinschauen, wie es dem Menschen gerade geht, dem ich begegne. Der Wunsch „Alles Gute“ ist dann keine flüchtige Höflichkeit mehr, sondern ein tiefempfundener Wunsch für den, der mir gegenübersteht. „Alles Gute“ kann dann eine menschliche Zugewandtheit sein, die einfach guttut und mir an den Tagen Kraft gibt, an denen es mir nicht gut geht und an denen meine Seele leidet. Johannes grüßt seinen Adressaten mit diesem tiefempfundenen Wunsch. Der Herr ist aber für ihn sein Fels, Hilfe und Schutz – vom ihm erwartet er alles.
Ich wünsche Ihnen ALLES GUTE – für Leib und Seele.
Ihr Pfarrer
Thilo Neuhaus